Es folgt: eine Nachlese zu meiner ersten Mai-Woche in Berlin.
Ein „amtliches Programm“, so nannte es Caspar neulich auf Twitter. Und das war es in der Tat: Vom 1. bis 8. Mai wuselte ich – von einer kleinen, aber unfeinen Unterbrechung abgesehen – durch unsere schöne Hauptstadt und war mit allerlei Dingen beschäftigt. Das ist bei mir ja mittlerweile eine lieb gewonnene Tradition, aber dieses Jahr war alles ein bisschen anders. Ein bisschen „interessanter“, so nenn ich das jetzt mal. Aber: eins after dem anderen, wie meine Großmutter stets zu sagen pflegt.
Erster Halt: An der Podcast-Wasserstelle
Los ging das also am 1. Mai – und ja, selbstverständlich hatte ich eine Unterkunft in Kreuzberg – bei Wikimedia Deutschland mit dem 5. Podlove Podcaster Workshop (alle Infos dazu findet ihr in der Podcasting-Community Sendegate). Als Teilnehmerin der ersten Stunde freute ich mich extremst darauf, altbekannte Gesichter wieder zu sehen, neue Leute zu treffen und Spannendes rund ums Podcasting mitzunehmen, u. a. lernte ich endlich mal den Paul von AudioguideMe und einige Podcasterinnen von der „Frauenstimmen im Netz“-Liste kennen oder ließ mir von den Hindenburg-Machern Anekdoten aus der Entstehungsgeschichte der Software erzählen. So weit, so wie immer, so gut. Im Gegensatz zu den vergangenen Workshops stand ich allerdings etwas unter Strom, denn Claudia und Ralf hatten mich im Vorfeld gebeten, doch *endlich* mal was über meine Promotion zu erzählen. Da wollte ich mich natürlich nicht lumpen lassen und habe am Sonntagmorgen in bester Winkekaterstimmung diese kleine Präsentation hier gegeben:
Sicher waren nicht alle Anwesenden vollkommen zufrieden mit dem nach wie vor etwas vagen, puddingartigen Zustand meiner Beobachtungen. Mir war es vor allem wichtig, die (in meiner Wahrnehmung teils recht hohen) Erwartungen an mein Forschungsprojekt etwas runter zu kochen. Klar zu machen, dass es mir darum geht, Podcasting als irgendwas zwischen netzkulturellen Praktiken und technischer Struktur zu verstehen, statt zu vermessen. Wie im Vortrag erwähnt, fehlt es in der bislang spärlichen Podcast-Forschung gerade an solchen eher „ethnografischen“ Annäherungen (hier findet sich eine Auswahl an Forschungsliteratur). Außerdem wollte ich verdeutlichen, warum es so schwierig ist, Podcasting als Untersuchungsgegenstand dingfest zu machen – daher auch der etwas kryptische Untertitel „how to nail jelly to a wall“. Und nicht zuletzt ging es mir darum aufzuzeigen, was potenzielle Outcomes meiner Forschung sein könnten. Nämlich nicht so sehr harte statistische Aussagen dazu, was Menschen mit Podcasts anstellen. Sondern Einsichten darüber, was man noch ein bisschen besser machen könnte, damit sich alle, die es möchten, am großen Podcastwuhl beteiligen können. Dazu gehören natürlich auch die Menschen, die gesprochenes Audio lieben und Interesse an Kleinstnischenthemen haben, aber bislang gar nicht wissen, dass und welche Podcasts es gibt. Um diese potenzielle Nutzerinnen mit dem Podcastvirus zu infizieren, braucht es neben guten Inhalten meines Erachtens weitere Wege und Mittel, wie z. B. kuratierte Webseiten oder thematisch fokussierte Verzeichnisse, die ggf. auch Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von Podcasts erhöhen könnten. Die Webseite zur Podcasterinnen-Liste, an der ich momentan gemeinsam mit Dennis bastele – wobei er die Hauptarbeit leistet und ich fasziniert daneben stehe – ist ein solcher Versuch. Aber dazu werde ich hier zu gegebener Zeit nochmal im Detail berichten.
Dies also als ein kurzer Einblick zum #ppw15a – nicht gänzlich unerwähnt bleiben sollte vielleicht meine Teilnahme an 5hoch4, dem plauschigen Diskussionsformat, das bereits im November für viel Freude sorgte und dessen zweite Ausgabe man, wie viele weitere Vorträge des Workshops, in aller Ruhe auf YouTube nach-schauen kann.

Zweiter Halt: Die Weiten der Netz-Savanne
Nach dem #ppw15a folgte: #rp15. Die re:publica stand in diesem Jahr unter dem Motto „Finding Europe“ – ein Motto, das ich zum Anlass nahm, es bei der Einreichung getrost zu ignorieren. Mir schwebte eine Session zu der „Frauenstimmen im Netz“-Liste vor, die ich im August 2014 gestartet hatte und seither hege und pflege. Schnell waren tolle Mitstreiterinnen gefunden, darunter Katrin Rönicke (@diekadda) und Tine Nowak (@tinowa). Nach einigem Hin und Her mit dem rp-Team, konnte ich mit Alexandra Tobor (@silenttiffy) und Sarah Geser (@ladyGeekness) zwei weitere Podcasterinnen für eine einstündige Session gewinnen, die schließlich mit einem etwas breiteren Zuschnitt auf Potenziale des Podcasting für das Programm zugelassen wurde. Nach einem launigen Vorbereitungstreffen am Vorabend ging es dann direkt am ersten rp15-Tag ab auf Stage 10.
Geht gleich lohoos pic.twitter.com/2H40LY3nSQ
— neleheise (@neleheise) 5. Mai 2015
Zur unendlichen Erleichterung der Beteiligten wurde unsere Session tatsächlich nur als Audio aufgezeichnet, was natürlich einerseits für eine ganz hervorragende Einheit von Inhalt und Form sorgt. Andererseits lässt sich der Mitschnitt leider nicht ganz so schön verlinken. Deshalb hat die liebe Katrin das Ganze noch einmal durch die Audio-Processing-Software Auphonic gejagt und auf ihrer Website veröffentlicht. Also, hört da mal rein, kommentiert nach Belieben und flattert fleißig, denn ich vermute mal stark, dass Katrin uns allen mit den Einnahmen bei Gelegenheit mal ein lecker Bierchen ausgibt ;). Glücklicherweise wurde während der Session reichlich getwittert, z. B. dieses schöne Bild von @PodstockDE, so dass ihr wenigstens einen kleinen visuellen Eindruck habt:
„Stimmen im Netz – Die Podcast-Session“ STG-10 #rp15 mit @neleheise @dieKadda @silenttiffy @LadyGeekness und @tinowa pic.twitter.com/3WlW3cD32A
— #PodstockDE (@PodstockDE) 5. Mai 2015
Ich muss sagen, dass diese Stunde mit den Podcasterinnen von meinen bisherigen re:publica-Sessions sicher die angenehmste und entspannteste war. Das lag nicht nur an den tollen vier Damen und ihren persönlichen Geschichten, aus denen ich selbst ganz viel mitnehmen konnte. Sondern auch an dem durchweg positiven, freundlichen Feedback, das wir in den folgenden Tagen erhielten. Die Zuschauer*innen haben sich, so glaube ich, sehr wohl gefühlt und die Session als runde Sache wahrgenommen – und genau so ging es auch uns auf der Bühne. Durch die Kopfhörer, die alle trugen, ist da eine besondere Atmosphäre entstanden, die vielleicht gut illustriert, was Podcasting ausmacht: Es kann eine besondere Beziehung herstellen zwischen Sprechenden und Hörenden, zwischen individuellen Perspektiven und dem großen Ganzen. Dass uns offenbar gelungen ist, das zu transportieren, erfüllt mich mit großer Freude.
Sehr schön fand ich auch unser anschließendes kleines Podcaster*innen-Treffen, bei dem ich nicht nur weitere Gesichter hinter den Einträgen auf der Podcasterinnen-Liste kennen lernen durfte, sondern auch vielen Menschen endlich mal ein „Hallo“ zuwerfen konnte, mit denen ich mich schon länger via Twitter, Facebook oder sonst irgendwie im Netz angeregt austausche. Es sind diese Möglichkeiten für analoge Begegnungen, für die es die re:publica – bei aller (berechtigten) Kritik – nach wie vor braucht, und für die sich der Besuch meines Erachtens absolut lohnt.
Nach der Session „Frauenstimmen im Netz“ gab’s noch ein Bild. Die Podcast Prominenz … und das A&O ; ) #rp15pic.twitter.com/R1LhUJajHY
— das A&O (@blauschrift) 5. Mai 2015
Im weiteren Verlauf entwickelte sich dieser erste rp15-Tag zum regelrechten Podstag, denn kurz nach unserer Session sprachen auch Claudia und Ralf, die in der Podosphäre u. a. für den Podlove Podcaster Workshop, Sendegate, Sendezentrum und als Wiki Geeks bekannt sind, im Rahmen der Media Convention darüber, was Podcasts von der Zukunft lernen können. Ein spannender Talk mit vielen guten Beobachtungen und Prognosen, den ich Podcast-Interessierten sehr empfehlen kann (zum Video). Dass wir mit diesen Beiträgen offenbar einen Nerv getroffen hatten, stellte sich zu unserer Freude im Laufe des Abends heraus: Unter dem Titel „Podcast: Die vernachlässigte Schwester des Blogs“ berichtete die dpa über beide Podcast-Sessions. Der ganz gute Artikel wurde u. a. von Focus Online und dem Kölner Stadtanzeiger veröffentlicht, was mich wirklich sehr für die beteiligten Podcasterinnen freut. Einziger Wermutstropfen: Die wunderbare Alexandra Tobor bleibt im Text unerwähnt – skandalös!
Dritter Halt: Im Raubtierkäfig
Direkt im Anschluss an das angesprochene Podcaster*innen-Treffen musste ich leider für ein wichtiges Meeting mal eben zurück nach Hamburg fahren. Dass bei der Bahn gestreikt wurde, fügt sich da natürlich recht gut in das Bild einer eher chaotischen Woche ^^. Jedenfalls stand am Mittwochvormittag endgültig fest: Ich werde ab Juni wieder reichlich Tagesfreizeit haben – und das ist sehr gut so. Professionelles Berufsgebahren (und ein leiser Rest an menschlicher Größe, die ich in diesem Fall aufbringen kann) gebietet mir, an dieser Stelle keine weiteren Worte zu der Sache zu verlieren. Wer mehr wissen möchte, kann mir ja mal eine E-Mail schreiben. Auf jeden Fall ging es noch am gleichen Nachmittag wieder zurück nach Berlin. Und zwar so entspannt und reibungslos wie schon lange nicht mehr – #bahnstreik ftw!
Vierter Halt: Am Affenfelsen
Nach einem desaströs-gelösten Mittwochabend begann der letzte rp15-Tag für mich (augenscheinlich etwas zu früh) mit einem schönen Gespräch: Für dctp.tv plauderten der werte Herr Banse und ich über aktuelle Entwicklungen im Bereich Podcasting. Das Video dazu kann man sich auf YouTube anschauen – oder einfach hier:
Nach Veröffentlichung des Videos erreichten mich ein paar Hinweise darauf, dass es durchaus Informationen zur Größenordnung von Download-Zahlen gibt, z. B. ein Bericht von Henning Krause anlässlich 1 Mio. Downloads für den Raumzeit-Podcast (danke für den Hinweis an @Modellansatz). Das ist absolut richtig. Allerdings verdeutlichen etwa die kontinuierlichen Diskussionen zu Podcast-Statistiken, im Sendegate, im Rahmen der vergangenen Podlove Podcaster Workshops oder anderswo, dass es aus verschiedenen Gründen gar nicht so leicht ist, die faktische Nutzung von Podcasts zu erheben. Und schon gar nicht, sie ins Verhältnis mit anderen Netzanwendungen zu setzen – hier greift beispielsweise der Vergleich mit YouTube-Abonnentenzahlen m. E. viel zu kurz, wenn nicht gar ins Leere. Ein paar Infos könnte man aber zum Beispiel der jährlich durchgeführten ARD/ZDF-Onlinestudie entnehmen: Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass sieben Prozent der ca. 1.400 befragten Onliner*innen zumindest gelegentlich Audiopodcasts nutzen (nur ein Prozent täglich; nicht dazu zählen zeitversetzte Radio-Inhalte). Damit ist die Nutzung im Jahr 2014 nach einem zwischenzeitlichen Einbruch wieder auf dem Niveau des Jahres 2006 angelangt. Positiv zu sehen ist, dass sich vor allem die jüngste Befragungsgruppe der 14- bis 29-jährigen in stärkerem Maße Audiopodcasts zuwendet, denn hier werden sie von immerhin 17 Prozent gelegentlich genutzt. Ob dieser Entwicklungstrend angesichts eines echten Podcast-Erfolgsjahres – siehe Angebote wie „Serial“ oder „Sanft & Sorgfältig“ – anhält, werden wir sehen sobald die Daten für 2015 vorliegen.
Den restlichen Donnerstag verbrachte ich weitgehend damit am rp-Affenfelsen zu sitzen und in zunehmender Panik an den Folien zu einem dritten Vortrag zu werkeln. Leider konnte ich dadurch nicht einen einzigen Talk mitnehmen. Aber: Kaum lässt du dich am Affenfelsen nieder, schon kommen sie alle vorbei, sagen einfach mal „hallo“ oder verwickeln dich in interessante Gespräche und säen Projektideen. Das war also nochmal ein schöner Nachmittag mit vielen Begegnungen. Doch zurück zu diesem dritten Vortrag …
Fünfter Halt: Ab in den Streichelzoo
Kleiner Zeitsprung: Anfang April fragten mich Susanne (@fraumierau) und Anne-Luise (@aluberlin), ob ich auf ihrer Veranstaltung BlogFamilia einen Input zum Thema Ethik & Elternblogs geben könnte. Zum Hintergrund dieses Elternblogger*innen-Treffens am Rande der re:publica kann man sich in z. B. in diesem Wired-Beitrag belesen. Ich fand die Anfrage spannend, obwohl bzw. gerade weil ich mich bislang nur aus persönlicher „Betroffenheit“ – als Social Media-affine Mutter – mit ethischen Fragen und Online-Kommunikation von Eltern auseinandergesetzt hatte. Zurück also zum Abend des 7. Mai: In meinem Vortrag, von dem es momentan leider nur die Folien hier unten gibt, habe ich versucht das Blickfeld der Teilnehmer*innen etwas zu weiten. Und zwar hin zur Frage, was wir aus ethischer Perspektive nicht nur über das Bloggen, sondern das Elternsein ganz generell im Netz mitnehmen können. Da geht es also nicht nur um den Kontext „was stell ich in mein Blog?“, sondern eine ganze Gemengelage von Aspekten, die wir bei der Aushandlung von richtigem Handeln beachten sollten. Dazu gehört z. B. die Rollenvielfalt als ein Kontext unseres Online-Handelns und die Vielfalt an Plattformen und Diensten, die wir als Individuum, als Mutter/Vater, als Partner*in oder z. B. in beruflichen Zusammenhängen nutzen. Eine Sache war mir hier besonders wichtig: Ethik meint auch einen Aushandlungsprozess, an dem ganz viele Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven teilhaben sollten – nicht zuletzt die Kinder oder Jugendlichen, deren Eltern wir schließlich sind. Da kann es ganz verschiedene Standpunkte und Lösungen geben, etwa beim Umgang mit Kinderfotos, und im besten Falle sollte jede*r bewusst entscheiden, welche Position sie oder er einnimmt. Diese ersten gedanklichen Entwürfe werde ich aber in einem späteren Text noch einmal aufgreifen. Aus meiner Sicht war die wuselige BlogFamilia als ganz familiär gehaltene Veranstaltung ein gelungener Gegenentwurf zur re:publica und für mich persönlich definitiv ein runder Abschluss meiner Medienforschungssafari.

Ein Safazit
Was bleibt noch zu sagen? Es war, trotz mieser Vorzeichen und echt-viel-zu-tun, mal wieder eine großartige Zeit in Berlin. Übervoll mit tollen Menschen und lehrreichen Gesprächen, die mich aus dem furchtbaren Tief der letzten Wochen gezogen haben. Jetzt sind da wieder ganz viele Ideen und Zuversicht und so sollte das auch sein. Unendlich dankbar bin ich für die wertvollen Impulse, im Hinblick auf meine Promotion, aber auch bezüglich der Frage, wie ich in Zukunft arbeiten kann und möchte. Mich hat die Superheldinnen-Performance, die es brauchte, um das ganze Berlin-Ding auf diese Weise durch zu ziehen (s. Raubtierkäfig), immens viel Kraft gekostet. Daher möchte ich hier noch einmal all jenen danken, die mich in dieser Zeit unterstützt* und aufgefangen haben – you know who you are <3
Einige meiner Beobachtungen während dieser langen Berlin-Woche verarbeite ich momentan in einer kleinen Beitragsreihe für das SWR2-Radioblog. So much for now, stay tuned.
N.
* Ich möchte an dieser Stelle von ganzem Herzen meinen wunderbaren Großeltern danken. Sie haben mich bei dieser Reise nicht nur moralisch, sondern auch finanziell unterstützt. Weil sie wissen, wie wichtig diese Woche für mich und meine Arbeit sein würde. Und … weil sie an mich glauben und ebenso stolz auf mich sind, wie ich auf sie.
Ein Gedanke zu “On the road – auf Medienforschungs-Safari”
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