Es folgt: ein Nachtrag zu „Heise, du fehlst„.
Hinter mir liegt eine aufwühlende Woche. Der Todestag meines Vaters jährte sich am 7. März zum 20. Mal. Und das war dann doch ein besonderes Datum. Ja, die Erinnerungen, Tränen, die bitter-süßen Gefühle, die „what if“-s … sie sind da, jedes Jahr. Zum Geburtstag – Frank hat(te) einen Tag nach mir – und immer wieder zum Todestag, diesem gottverdammten Tag. Dieses Jahr also der 20. Irgendwie so weit weg und doch so nah. Es musste etwas her.
Der Wunsch, Frank’s Leben und Schaffen zu dokumentieren, der reift nun schon so lange in mir. Zeit wird es also. Aber da ist natürlich immer diese Angst, sich mit dem Schmerzhaften auseinander zu setzen, den Dingen, die groß, toll waren. Aber auch den Schatten. Und diesen vielen tiefen Gefühlen, die ja nicht nur mich betreffen, sondern so viele andere. Manchmal denke ich: lass es doch ruhen. Aber eigentlich weiß ich, dass ich so nie meine Antwort(en) finden würde, dass es getan werden soll.
Als Frank sich das Leben nahm war ich zehn Jahre alt. Er lebte damals schon lange in Berlin, war viel auf Tournee und für uns Kinder, ja, letztlich eigentlich kaum greifbar (präsent war immer die Musik). Es hat lange Zeit gedauert – und dauert irgendwie ja immer noch an – bis sich für mich ein Bild meines Vaters ergeben hat. Und dieses Bild ist komplex. Es zeigt die Perspektiven von Freund_innen, Mitmusiker_innen, Fans, Partner_innen, Familie. Alle teilen auf eine Art den Schock, (nach wie vor) die Fassungslosigkeit angesichts seines Schrittes. Für mich hat es lange gedauert, seine Entscheidung anzunehmen, damit umgehen zu können, einen klare(rere)n Blick darauf zu gewinnen. Dass es mir einigermaßen gelungen ist, liegt vor allem daran, dass ich immer wieder auf Menschen traf – und treffe – die eine Verbindung zu Frank hatten. Die ihn erlebt haben, auf der Bühne, im Studio, an der Bar, irgendwie und irgendwo, in guten wie in schlechten Tagen. Die sein Feuer sahen, seine Musik liebten, an ihm verzweifelt sind. Es sind so viele, es ist ein solches Glück. Und gleichzeitig auch eine Bürde. Denn ich fühle mich dafür verantwortlich, das alles festzuhalten. Nicht nur, weil ich seine Tochter bin, immer auf der Suche und nun (vielleicht) befähigt, ein solches Projekt zu meistern. Sondern auch, weil Zeit verstreicht, Erinnerungen verblassen, ebenso wie Fotos und Aufnahmen. Time’s a bitch.
Vergangenes Jahr, im Sommer, habe ich den ersten Grundstein gelegt. Damals beim Sichten des Nachlasses sagte meine Großmutter: „Es ist so viel da – aber Frank nicht mehr“. Und das zeigt mein, unser Dilemma: Wir sind so nah dran, oft fehlt der Mut. Und diese Überforderung setzt sich mit der Menge an Material, Bildern, Texten, Noten, Presseberichten und Musik auf CDs, Videos, Kassetten, Tonbändern weiter fort. Mich schreckt und freut es zugleich. Ein erster Anfang ist „Heise, du fehlst„. Dort möchte ich gerne dauerhaft dokumentieren, was Frank gemacht hat – und vielleicht auch, wer er war. Es wird mit dir also noch eine lange Reise, Heise.
Nach diesen zwanzig Jahren bin ich heute vor allem eines: Stolz. Darauf, was mein Vater geschaffen hat. Wie er seine Seele offen gelegt hat mit seiner Musik, seinen Texten, und ganz Komplexes in ganz einfachen Worten sagen konnte. Wie er Menschen inspiriert und bewegt hat. Stolz, ob der Kraft meiner Mutter, meiner Großeltern, meines Bruders, meines Onkels.
Und: Tief traurig. Weil immer etwas fehlen wird, die eine Hälfte dessen, was ich bin, diese leeren Stellen, dieses Sehnen, die Fragen, die keiner beantworten kann. Und dieses Hoffen, dass man es irgendwie richtig macht, mit diesem Leben. So traurig, zu lesen im Tagebuch von der tiefen Verzweiflung und der Suche nach etwas, was dir keiner geben konnte. Und wohl ein wenig auch, weil da heute Enkelkinder sind, auf die du sicher ungemein stolz gewesen wärst. All das.
Aber: Es ist nicht an mir zu verzweifeln. Das bin ich nicht. In mir brennt es auch, dieses Feuer. Und das ist schön.
Ein Gedanke zu “On a personal note …”
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