Nachdem es im Anschluss an die 57. Jahrestagung der DGPuK einiges Interesse an meiner Studie zu GayRomeo gab, möchte ich dem geneigten Leser hier ein ausführliches Manuskript zur Verfügung stellen (Heise_GayRomeo_Manuskript). So wie der Text jetzt ist, habe ich ihn damals an den betreuenden Professor gegeben, aktuelle Literatur wurde daher nur bedingt berücksichtigt.
Zum Kontext: Die Studie entstand Ende 2010 während meines Masterstudiums im Rahmen eines Seminars an der Uni Erfurt, betreut wurde sie durch Prof. Dr. Patrick Rössler. Ich habe die Untersuchung auf zwei Tagungen präsentiert, im September 2011 auf der „Mediatized Gender“ an der Uni Bonn und im Mai 2012 in Berlin. Im Anschluss an die Vorträge kamen einige Fragen auf, zu denen ich gerne noch ein paar Anmerkungen loswerden würde:
- Stichprobe: freilich wäre auch eine Untersuchung einer großen Stadt wie Köln oder Berlin denkbar gewesen; ich hatte mich damals aus forschungspragmatischen Gründen für Thüringen entschieden. Außerdem schien mir Thüringen in jeglicher Hinsicht so wunderbar „durchschnittlich“, auch wenn es sich um ein eher kleines Bundesland handelt. Der „Dreischritt“ Thüringer Land, Erfurt und Berlin/Köln wäre aber dennoch spannend, für weitere Forschungsprojekte. Ich selbst werde aber in Zukunft wohl eher keine Forschung mehr in diesen Bereich hinein machen können, leider. Denn GayRomeo ist aus Medienforschersicht hochgradig spannend.
- Ethische Fragen: ganz wichtig erschienen mir in den Gesprächen zur Studie immer wieder forschungsethische Aspekte, z.B. die Frage, ob ich mir einen Fake-Account zugelegt habe. Direkt dazu: nein, ich habe lediglich Daten analysiert, die (damals) öffentlich zugänglich waren. Sofern beispielsweise User den Zugang zu ihren Profilen auf Mitglieder beschränkt haben, habe ich das selbstverständlich berücksichtigt, und entsprechende Variablen nicht erhoben. Insgesamt muss man festhalten, dass aus forschungsethischer Hinsicht ein qualitativer Zugang zu bevorzugen ist, d.h. direkt mit Usern ins Gespräch zu kommen, sich die verschiedenen Funktionen erklären und zeigen zu lassen. Dies kann auch dabei zu helfen, den Nutzern gerecht zu werden, und die tatsächliche Bedeutung der Anwendung für die User zu „durchdringen“. Gleichzeitig gilt es, eine gewisse analytische Distanz zum Gegenstand zu wahren. Dieses Spannungsverhältnis war gerade für mich als Frau schwer auszuloten, möglicherweise ist es aber auch eine Chance, um glaubwürdig und offen zu forschen.
- Demarginalisierung und Empowerment: man sollte, um es noch einmal zu betonen, die mit beiden Begriffen verknüpften Annahmen stets als Potenziale begreifen. Als Möglichkeiten also, von denen die GayRomeo-User jedoch auch Gebrauch machen müssen. Was meine Studie nicht offenlegen kann ist, inwiefern die User, deren Profile ich letztlich nur mit einem Außenblick betrachtet habe, ihr Handeln selbst als demarginalisierend und ermächtigend wahrnehmen. Oder ob nicht letztlich viel stärker die Suche nach Sex ganz massiv im Vordergrund der Nutzung steht. Das herauszufinden wäre dann aber eine andere Studie gewesen. Das bringt mich zum nächsten, letzten Punkt.
- Aktuelle Forschung zu GayRomeo: wie ich in Berlin erfahren habe, gibt es mittlerweile weitere studentische Projekte zu GayRomeo mit kommunikationswissenschaftlichem Schwerpunkt, z.B. eine qualitative Interviewstudie an der Uni Bonn oder eine vergleichende Studie an der Uni Hohenheim. Das freut mich sehr und man kann auf die Ergebnisse gespannt sein.
Ich hoffe sehr, dass der Forschungsgegenstand GayRomeo – bzw. jetzt: PlanetRomeo – und seine Nutzer in der Medienforschung zukünftig noch ernster genommen, und ihr Nutzerhandeln adäquat, abseits eines Nischenthemas verortet wird. Dann wäre doch schon viel geschafft, finde ich :)
Ein Gedanke zu “Die „blauen Seiten“ – Text & Vortrag zu meiner GayRomeo-Studie”
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